Nils Dunkel vom SV Halle ist bei der EM in Rimini ein deutscher Hoffnungsträger. Warum er am Zittergerät Pauschenpferd so stark ist.
Rimini/Halle/MZ - Dieses mysteriöse Gerät entfaltet eine ähnliche Wirkung wie ein abstraktes Gemälde. Der Betrachter steht davor, er schaut genau hin, sieht diese wirbelnden Bewegungen. Aber die Kunst des Turnens am Pferd ist für ihn mit einem ungeschulten Blick dennoch kaum zu greifen.
Nils Dunkel, Turner des SV Halle, ist der stärkste Athlet an diesem ganz speziellen Gerät, den es derzeit in Deutschland gibt. Bei der EM 2022 in München hat er Bronze am Pferd gewonnen, 2023 zog er in das Finale der WM ein.
Nils Dunkel aus Halle: „Breakdance auf dem Gerät trifft es ganz gut“
Bei der EM in Rimini, die an diesem Mittwoch beginnt, ist Dunkel nach dem krankheitsbedingten Ausfall von Barren-Weltmeister und Trainingskollege Lukas Dauser einer der größten Hoffnungsträger der deutschen Mannschaft.
Versucht der Meister am Pferd sein Gerät verständlich zu machen, das ihn in Italien vielleicht zur nächsten Medaille trägt, dann spricht er von Flanken, von großen Amplituden, von Griffwechseln, die schwer zu sehen sind. Aber der Laienblick habe auch seine Berechtigung, gesteht Dunkel zu. „Breakdance auf dem Gerät, das trifft es ganz gut“, sagt er.
Auf dem Pauschenpferd gibt es keine spektakulären Flugeinlagen wie am Reck, keine Salti wie beim Boden oder Sprung. Die Kunst liegt in der Beständigkeit, dem Durchhaltevermögen. Knapp eine Minute lang drehen die Turner auf dem Gerät ihre Kreise, sie wandern mal auf zwei Händen, mal nur auf einer Hand von links nach rechts und wieder zurück. „Krass intensiv“ sei das, sagt Dunkel. So darf es aber nicht aussehen. Das Schwere soll leicht erscheinen. „Im Prinzip geht es bei uns viel um Ästhetik. Es soll im Endeffekt schön aussehen. Die Zuschauer sollen denken, das sah cool aus.“
Die Kampfrichter, die über die Medaillen entscheiden, müssen genauer hinschauen. Eine gute Pferdeübung zeige sich in den Details. „Es geht um geschlossene Beine, langgestreckte Füße, groß Amplituden bei den Drehungen“, sagt Dunkel, gebürtig aus Erfurt. Punkte für die Schwierigkeit gibt es für Bewegungen von der einen Seite zur anderen. „Weil das schwer ist, es braucht viele Flanken.“ Also die für das Pferd typischen kreisenden Bewegungen. „Griffwechsel sind auch schwer. Ich drehe mich zweimal in meiner Übung mit nur einer Hand. Das ist schwer zu sehen, weil es so schnell geht, ist aber super viel wert.“
Nils Dunkel hat Schürfwunden vom Training auf dem Pferd
Dunkel, heute 27 Jahre alt, hat Jahrzehnte gebraucht, um das tückische Pferd zu meistern. Es gilt als deutsches Zittergerät, selbst Ausnahmeturner Fabian Hambüchen fürchtete es. Weil das Pferd, wie sein Vorbild aus der Natur, seine Reiter gern abwirft. Was mit Punktabzügen bestraft wird.
Es braucht Talent und eisernen Willen, um es zu bändigen. „Ich habe die körperliche Voraussetzungen, bringe ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl mit“, so Dunkel. „Das habe ich mir als Kind angeeignet. Ich hatte Spaß am Balancieren auf dem Bordstein, wahrscheinlich profitiere ich davon.“
Zur Begabung kam die Qual. Immer und immer wieder musste Dunkel seine Kreise auf dem Pferd drehen. Kollisionen mit den Pauschen, den beiden Griffen auf dem Pferd, sind Normalität. Bis heute. „Die Turnerbeine sind komplett blau, irgendwelche Schürfwunden hat man immer. Das nimmt man hin“, sagt Dunkel.
Er nimmt es auch hin, weil das Gerät perfekt zu ihm als Mensch passt. „Mir hat das immer Spaß gemacht, ich finde es schön, dass ich das Gerät die ganze Zeit in der Hand habe“, sagt der detailverliebte Perfektionist. „Mich erschreckt es eher, dass ich am Reck fliege und die Stange wieder fangen muss. Beim Pferd hast du die Kontrolle und ich gebe ungern die Kontrolle ab. “ Auch abseits der Geräte.
Turner Nils Dunkel vom SV Halle hat seine Übung verfeinert
Im Olympiajahr hat Dunkel, der als Ausgleich zum Sport früher abstrakte Kunstwerke gemalt hat, seinen Ritt auf dem Pauschenpferd noch einmal verfeinert, komplexer gestaltet. Er macht noch mehr Umdrehungen als bisher, unter anderem nun zwei auf einem Arm. Bei der WM, die er als Siebter abschloss, lag sein Schwierigkeitsgrad bei 6,2. Jetzt turnt Dunkel eine Übung mit einer 6,5. Beim DTB-Pokal in Stuttgart präsentierte er sie erstmals, gewann damit direkt die Bronzemedaille.
Ob ihm das bei der EM erneut gelingt, ist für Dunkel aber nebensächlich. Sein Blick ist auf Paris gerichtet, auf die Olympischen Spiele. „Dort will ich die Chance am Pferd auf das Einzelfinale haben, so auch dem Team helfen“, sagt er. Deshalb die neue Schwierigkeit auf diesem mysteriösen Gerät.
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