Lukas Dauser, der in Halle zum Weltmeister wurde, tritt von der internationalen Bühne ab. Im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung spricht er über den Abschied und seine neue Rolle als Vater.
Halle/MZ - Lukas Dauser entdeckt neue Talente. Der Turner, der von 2021 an in Halle zum Weltmeister geformt wurde, ist seit September Vater eines Sohnes. Bei Instagram hat der 31-Jährige geteilt, wie er mit dem schlafenden Willi in einer Trage Essen zubereitet.
Am Samstag aber steht für den Barrenspezialisten, der auch Silber bei Olympia in Tokio gewinnen konnte, sein Sport wieder im Vordergrund. Beim Swiss Cup in Zürich wird Dauser seine internationale Karriere beenden. Den Schritt hatte er nach dem missglückten Finale bei den Sommerspielen von Paris angekündigt. Fabian Wölfling hat mit dem gebürtigen Bayern, der inzwischen mit Frau und Kind in der Nähe von Ingolstadt wohnt, über den Abschied, seine Rolle als Vater und die Zukunft des deutschen Turnens gesprochen.
Herr Dauser, als Henry Maske seinen vermeintlich letzten Kampf geboxt hatte, lief „Time to say Goodbye“ durch die Arena. Haben Sie für Ihren letzten internationalen Wettkampf ähnliches geplant?
Lukas Dauser: „Time to say Goodbye“ klingt zwar richtig. Aber es ist bei mir noch nicht wirklich angekommen, dass ich tatsächlich das Deutschland-Trikot ein letztes Mal anziehe, ein letztes Mal den Adler auf der Brust tragen werde. Ich habe daher nichts Spezielles geplant.
Was bedeutet es Ihnen, ein letztes Mal für Deutschland als Sportler anzutreten?
Ich erinnere mich noch genau, als ich 2013 bei einem Weltcup zum ersten Mal den Adler auf der Brust getragen habe. Es hat mir immer extrem viel bedeutet, mein Land bei so vielen Wettkämpfen in all den Jahren vertreten zu dürfen. Das war eine Riesenehre. Ich bin gespannt, wie es sein wird, wenn ich das Trikot mit dem Adler jetzt ein letztes Mal anziehe.
Es wird auch ein Abschied von Ihrem langjährigen Trainer Hubert Brylok vom SV Halle. Was denken Sie, werden bei einem von Ihnen Tränen fließen?
Mit Hubi ein letztes Mal in einen Wettkampf zu gehen, ist ein komisches Gefühl. Wir haben so viele Schlachten geschlagen, hatten so viele tolle Jahre. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird, ohne ihn auszukommen, auch wenn ich es im Alltag jetzt schon ein paar Wochen üben konnte (schmunzelt). Er ist für mich zu einer extrem wichtigen Person geworden, nicht nur in der Turnhalle. Ich kann mir daher vorstellen, dass Tränen fließen. Aber eher Freudentränen, weil wir beide mit Stolz auf unsere gemeinsame Zeit zurückblicken können.
Wie gehen Sie den Wettkampf in Zürich an?
Es ist kein Weltcup, keine WM, kein Olympia, es geht eher in die Richtung Showevent. Aber in der Bundesliga habe ich zuletzt gut performt und will auch jetzt noch einmal meine Leistung abrufen. Das ist einfach mein Ehrgeiz als Sportler. Auch wenn das Ergebnis nicht im Vordergrund für mich steht. Ich will vor allem versuchen, es noch einmal zu genießen.
Sie sprechen Olympia an. Paris sollte das krönende Ende ihrer Karriere werden. Nach einem Muskelbündelriss schafften Sie es zwar an die Geräte, im Barrenfinale landeten Sie nach einem Fehler aber nur auf Rang sieben. Verfolgt Sie das?
Ich bin grundsätzlich stolz auf meinen Weg. Es ist Wahnsinn, dass ich es mit der extremen Vorgeschichte zu meinen dritten Olympischen Spielen und dann auch bis ins Finale geschafft habe. Aber ich hätte mir einen schöneren Abschluss gewünscht. Es wurmt mich nach wie vor, es wird mich vermutlich mein ganzes Leben lang wurmen, dass es nicht geklappt hat.
Bis zuletzt hatten Sie es offen gelassen, ob Sie national noch ein Jahr weiterturnen. Gibt es inzwischen Klarheit?
Hundertprozentig habe ich die Entscheidung noch nicht getroffen, aber ich gehe Stand jetzt davon aus, dass ich noch ein Jahr in der Bundesliga dranhänge. Ich finde es nicht gut, von 100 auf Null runterzufahren, komplett aufzuhören. So kann ich abtrainieren, das ist gut für meinen Körper, die Sehnen, Bänder. Es macht mir auch nach wie vor extrem Spaß.
Wie planen Sie generell die Karriere nach der Sportkarriere?
Für mich hat es erst einmal Priorität, mein Studium abzuschließen. Anfang nächsten Jahres will ich meine Bachelorarbeit schreiben. Was die Zukunft dann bringt, weiß ich nach wie vor noch nicht genau. Ich habe nach wie vor so viele Termine, dazu kommt die Rolle als Papa. Es ist noch nicht ruhig genug geworden, um mir über die Zeit nach der Karriere genauer Gedanken zu machen. Im Sport will ich aber auf jeden Fall bleiben.
Wie hat die Geburt Ihres Sohnes Ihr Leben verändert?
Es hat sich enorm verändert, die Prioritäten haben sich von einem Tag auf den anderen total verschoben, aber in eine schöne Richtung. Natürlich ist es anstrengend, da erzähle ich Eltern nichts Neues. Es gibt bessere und schlechtere Nächte. Aber meine Frau macht das super, Willi ist super drauf. Wir sind sehr glücklich, genießen die Zeit des Kennenlernens und freuen uns über alles, was er uns zeigt, Grimassen oder eine halbe Drehung vom Bauch auf den Rücken.
Würden Sie sich freuen, wenn aus ihrem Sohn ein Turner wird?
Ich werde ihn auf jeden Fall in eine Turnhalle schicken, ganz einfach, weil es die beste Sportart ist, um sich koordinativ zu entwickeln, die beste Grundlagenschulung. Ich bin überzeugt davon, dass es für Kinder enorm wichtig ist, sich im Turnen auszuprobieren. Ob er im Jugendalter weiterturnt, ob aus ihm ein Leistungsturner wird, das kann ich natürlich nicht wissen.
Sie konnten selbst die Lücke schließen, die Fabian Hambüchen hinterlassen hat. Sehen Sie aus der Riege der aktuellen deutschen Turner einen potentiellen Nachfolger für sich?
Gute Frage. Wir haben einige hoffnungsvolle Talente, die in die Bresche springen können. Namen will ich bewusst nicht nennen. Ich hoffe, dass sich einer in die Weltspitze hineinturnen kann. Ob das aber schon in den nächsten zwei, drei Jahren der Fall ist, kann ich schwer prognostizieren. 2019 hat auch keiner damit gerechnet, dass ich so einen Werdegang nehmen werde. Das kann ganz schnell gehen.